Christliches Internetradio

Was ist das?


Betrachten wir 'christliches Internetradio', müssen wir zunächst die Unterschiede zu herkömmlichen Radio klären.

Die Produktion des klassischen Radios ist in Europa über viele Jahre dem Staat vorbehalten gewesen. In Ausübung der Frequenzhoheit schuf er öffentlich rechtliche Radio und später Fernsehanstalten. Erstmals in Europa wurde dieses System von Luxemburg unterlaufen, mit 'Radio Luxemburg' ging der erste private Sender europaweit, zunächst auf Mittelwelle auf Sendung.

Einen störungsfreien Betrieb zu gewährleisten, kam es zu zwischenstaatlichen Frequenzregelungen und der Festsetzung von zahlreichen technischen Standards. Die in Europa im Vergleich zu Amerika oder Australien wesentlich härteren Vorgaben und Einschränkungen begründen sich weniger in den politischen Gegebenheiten als in der räumlichen Nähe und der sehr viel höheren Bevölkerungsdichte. Auch nach der sukzessiven Öffnung der Frequenzen für freie, private Anbieter, bleibt die Produktion kostspielig und mit vielen Auflagen, sowohl seitens der Technik als auch seitens der Programmgestaltung, verbunden.

Mit der Verbreitung des Internets geht eine komplette Umwälzung der Medienlandschaft einher. Die Veröffentlichung der eigenen Meinung ist ohne weiteres möglich. Eine redaktionelle Filterung durch Agenturen, Redaktionen und letztlich auch seitens des finanziellen Aufwands fällt fast ganz weg. Hat man bis dato die Gewähr, einigermaßen verlässliche Informationen und Nachrichten zu erhalten, die Quelle, der Sender oder die Zeitung lassen per se auf eine Überprüfung schließen, haben wir es jetzt mit einer Ansammlung von wie auch immer geprägten Informationen zu tun.

Das Internet ermöglicht nun mit einem sehr kleinen finanziellen Aufwand sein eigenes Radioprogramm auf Sendung zu bringen (Radiostreaming). Theoretisch reicht ein PC, ein Mikrofon und ein Internetanschluss. Im Gegensatz zum konventionellen Rundfunk ist keinerlei Betriebslizenz notwendig. In Deutschland fallen lediglich Gebühren für GEMA (Mindestvergütung ca. 30 Euro/Monat) und GVL (Mindestvergütung nicht-kommerziell: ca. 500 Euro/Jahr, kommerziell: ca. 1500 Euro/Jahr) an, falls das Webradio abgabepflichtige Musik spielt. Dazu kommt der Traffic in Abhängigkeit der Zahl der Hörer und der Qualität (Übertragungsrate). Möchte man eine Vielzahl von Menschen erreichen, mietet man einen Kanal auf einen der vielen Radiostreamer für ein paar wenige Euro oder betreibt einen eigenen Server. Letztlich kann so jeder Radio machen. Vorschriften oder Normen, wie im terrestischen, satellitengestützten oder kabelgebundenen Rundfunk gibt es nicht.

Ein Vorteil des Internetradios ist die weltweite Empfangbarkeit. Während Radiosender im UKW / FM Bereich regional beschränkt agieren müssen oder auf Satelliten zum Senden ihrer Inhalte zurückgreifen, gestaltet sich der weltweite Zugriff auf Internetsender wesentlich leichter und im Prinzip kann man von überall auf der Welt auf einen bestimmten Internetradiosender zugreifen. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen, wenn das Internet zum Beispiel von nationalen Behörden oder Providern teilweise oder komplett gesperrt und/oder gefiltert wird.

Nach der ARD/ZDF-Onlinestudie 2008 nutzen 10% der Internetsurfer mindestens einmal wöchentlich das Internetradio. Im Gegensatz zum konventionellen Rundfunk, der theoretisch unbegrenzt viele Empfänger im Empfangsgebiet erreicht, beschränkt das Internet die maximale Anzahl der gleichzeitig möglichen Empfänger durch die verfügbare Bandbreite (sowohl seitens des Senders als auch auf Empgangsseite). So sind 10.000 gleichzeitige Hörer der maximale Schnitt, der von einem Internetradio erreicht wird. Klassische Spartenkanäle wie Jazz, Blues, Country, Gospel kommen häufig über eine mittlere gleichzeitige Hörerzahl von 50 - 200 nicht hinaus. Die GEMA definiert die Grenze zwischen rein privaten Radiostreaming und kommerzieller Zielgebung bereits bei einer durchschnittlichen Hörerzahl von 12.

Neben den Kirchen, insbesondere der katholischen Kirche mit Radio Maria bzw. in Deutschland Radio Horeb, machen insbesondere christlich - kirchliche Missionswerke, einzelne Gemeinden, aber auch einzelne Menschen von dieser neuen Möglichkeit, seine Meinung zu verbreiten, Gebrauch. Und so sind über die letzten Jahre im christlichen Bereich viele 'Radiosender' entstanden, manche, so schnell wie sie entstanden sind auch wieder von der Bildfläche verschwunden. Andere dümpeln seit Jahren mit wenigen Hören dahin, einige haben es geschafft eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen.


Betrachtet und vergleicht man die Vielzahl der Initiativen, lassen sich grob drei Formate herausarbeiten:

Musik rund um die Uhr

Diesem Format lassen sich, betrachtet man das Internetradio global und abgehoben vom christlichen Aspekt, die meisten der 'Sender' zuordnen. So findet man zu jedem Musikstil und -neigung den entsprechenden Kanal. Zu den herkömmlichen Radioprogrammen bietet dieses Format eine willkommene Abwechslung, störende Wortbeiträge und Werbung sind hier selten zu finden.

So finden sich auch im christlichen Bereich einzelne Genres wieder, 'contemporary christian music', Anbetung, Lobpreis oder Gospel etc.. Die meisten dieser 'Sender' positionieren sich in der USA und in Südamerika. In der USA ist häufig auch eine Vermischung von weltlicher mit christlicher Musik, insbesondere an Sonn- und Feiertagen, innerhalb eines Genres zu beobachten.

Das moderierte Programm

Hier dominieren die Radioprogramme, die auch über die herkömmlichen Wege - Funk oder Kabel - zu empfangen sind. Moderation ist aufwendig, mit viel Zeit- und finanziellem Einsatz verbunden.

Im privaten oder ehrenamtlichen Bereich findet man meist kurze moderierte Abschnitte in einem reinen Musikprogramm.

Im deutschsprachigem Raum warten der Crosschannel als Jugendsender und Gospelradio.de, ein auf das Genre 'Gospel' konzentrierter 'Sender', mit einem hochwertigem und redaktionell begleitetem Programm auf.


Der Predigt- und Gottesdienstkanal

Hier finden die klassischen Predigkassetten bzw. die Missionsprogramme über Radio Luxemburg, TWR, etc. (meist zu nachtschlafender Zeit) ihre Fortsetzung. Predigten, Andachten oder Ansprachen, ergänzt mit Liedbeiträgen, laufen hintereinander weg. Je nach Missionswerk sogar in Wechsel verschiedene Sprachen.

Im katholischen Bereich haben sich Messen und Stundengebete etabliert und bieten den Gläubigen, die nicht mehr in der Lage sind, die Messe zu besuchen, einen adequaten und geistlichen Anschluss an die Gemeinschaft der Gläubigen.


Die drei Formate zielen auf unterschiedliche Hörgewohnheiten. Der Musikkanal läuft meist im Hintergrund. Das moderierte Programm ist der klassische 'Küchensender', er begleitet den Zuhörer bei einfachen Tätigkeiten, die Wortbeiträge sind kurz gehalten und thematisch meist in sich geschlossen. Der Predigtkanal ist das klassische Programmheftradio, der Hörer sucht gezielt Sendungen und hört gespannt zu.


Wie christlich ist christliches (Internet)radio?

An dieser Frage trennen sich häufig die Ansichten.

Abgesehen davon, dass die Fragestellung nicht allein das Internetradio betrifft, sondern alle Medien, ist der Ansatzpunkt falsch. Die Frage muss lauten, wen möchte ich durch mein Programm erreichen.

Der terrestische und von Christen getragene Berliner Radiosender 'Radio Paradiso' reiht sich seitens des Sendeformates in die Liga der öffentlich-rechtlichen und großen privaten Sendeanstalten ein. Der Unterschied im Detail macht es, neben den 'Gedanken zum Auftanken' dominieren eher positive Nachrichten als Schreckensmeldungen das Programm, werden gute soziale Initiativen vorgestellt und durch gezielte Projekte wird die ganze Bevölkerung sensibilisiert, so ist Radio Paradiso in Berlin sogar für einen Babyboom verantwortlich.

Möchte ich durch das Programm fernstehende Menschen erreichen, möchte ich eine Bindung aufbauen, möchte ich kurze missionarische Impulse setzen, oder möchte ich einfach Christen bedienen, indem ich sie mit Gottesdienste, Andachten und Musik versorge?


zin, 2010